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Antonio Caputo - 2010

Gianni Moneta - 1993

Heinz von Cramer - 2000

Lothar Fischer - 2010

Paolo Rizzi - 1990

Pubblio Dal Soglio - 1987

Toni Kienlechner - 1977

Toni Kienlechner - 1986

Testimonianze visitatori - 1990

Testimonianze visitatori - 1991

Wolfgang Sauré - 2000

Heinz von Cramer hat 2000 über ihn geschrieben
VerJeitfaden oder Versuch einer Mißbrauchs-Anweisung
I. Worum geht es eigentlich?

Ja, worum geht’s? Vermutlich um Kunst. Immer, wenn etwas der Öffentlichkeit ausgestellt wird – sei es gemalt, musiziert oder gedichtet – muss so ein Feigenblatt her, um eventuelle Blößen zu verdecken. Was das aber ist: Kunst, bleibt ein Rätsel. Ich weiß es nicht; und keiner hat mich bisher auch darüber aufklären können. Nur eins scheint gewiss: dass es eine Art Ausweis auf die Ewigkeit ist, den jede Gesellschaft in jeder Epoche ihren Gauklern und Schalksnarren ausstellt – und der sich nicht immer verlängern lässt, manchmal sogar recht rasch seine Gültigkeit verliert. Wenige haben da eine Dauerbescheinigung, die sich vor den Zähnen der Zeit bewahrt: ein Bach, ein Raffael oder ein Goethe beispielsweise...Vielleicht ist ja an ihrem hehren und unvergänglichen Werke abzuleiten, was Kunst in Wahrheit ist? Zumindest, soviel wird gleich klar., etwas sehr Ernstes, so hoch wie tief, so lang wie breit, ein Menschheitsphänomen, ein Weltspektakel, erhebend und erläuternd – und bisweilen halt auch ein wenig öde, von der Glorie der Langeweile umstrahlt. Auf jeden Fall, keinerlei Spaß! Weder für den Schöpfer noch für dessen Gemeinde. Beide haben hart zu arbeiten, im Schweiße ihres Angesichts; denn wer nie ein Brot mit Tränen aß, der wird auch nie der Erleuchtung würdig sein zu erfahren, was Kunst wirklich ist. Sollte Kunst also, alles in einem, eine Art Heiligsprechung der menschlichen Phantasie darstellen, eine Kirche, ein Dom, in welchem die Erfindungskraft ihre Messen zelebriert?


II. Was aber bietet sich konkret unserem Auge dar?

Eine Galerie, nicht wahr, das ist nicht zu bestreiten. Eine Kunstgalerie eben. Deshalb die obige Abschweifung. Und an den Wänden Bilder, die ihrerseits mit Bildern vollgestopft sind, so zum Bersten, dass es fast die Rahmen sprengt. Signiert aber sind diese merkwürdigen Ausschweifungen: Heinz J. Duell. Und sofort kommt einem ein schrecklicher Verdacht: sollte es etwa diesem Heinz J. Duell Spaß gemacht haben, unschuldigen Flächen mit solchen Vergewaltigungen ihre Unschuld zu rauben, und sollte er gar erwarten, auch der Betrachter könnte in dieser Unzucht seinen Spaß finden?

Man geht hin und her, man ist verwirrt, der Kopf schwirrt einem; vage erinnert man sich an die Reliefs indischer Tempel, die Exzesse des Barock. Aber was hat Exzess überhaupt mit Kunst zu tun, die doch das Maß aller Dinge anstreben sollte...Und wenn einem das völlig schnuppe wäre? Wenn es sich da einfach um ein Spiel handelte, auf das man sich einlässt oder nicht, ein Verwirrspiel, ein Vexierspiel, das jedermann mitspielen kann? Il gioco dell’oca, das Gänsespiel; „Mensch ärgere dich nicht“ - man würfelt, und hüpft weiter, oder man würfelt, und ist draußen; oder irgendwer schmeißt einen raus, und man geht in Wartestellung. Am besten, man bleibt nun stehen vor einem der Suchbilder und macht sich auf die Suche, egal, was passiert. Ein Risiko ist immer dabei!


III. Wie verhält man sich wohl gemeinhin?

Das vorige Jahrhundert hat uns daran gewöhnt, ein Bild auf einen Blick zu erfassen; der Gesamteindruck war das Entscheidende. Erst dann ging man ins Detail, falls man an Malerei interessiert war, und beschäftigte sich mit Einzelheiten der Komposition und des Farbauftrags, immer jedoch darauf bedacht, die Einheit des Bildes nicht aus dem Auge zu verlieren. Mit den Gemälden der Renaissance und des Barock steht es nicht viel anders.

Im Mittelalter hingegen war ein Bild eher zu lesen wie ein Buch, jede seiner Komponenten hatte eine eigene Bedeutung heraldischer, symbolischer, allegorischer oder theologischer Art, zusammengefügt ergaben sie weniger einen malerischen als einen geistigen Sinn, wobei das Vokabular streng und allgemeingültig kodifiziert war. Heute gelingt es nur wenigen, diese Botschaften zu entziffern, und man gibt sich in der Regel mit der ästhetischen Wirkung zufrieden, die aber durchaus, gemessen an der ursprünglichen Absicht, eine Nebenwirkung bleibt.

IV. Und was empfiehlt sich in unserem Fall?

Jener mittelalterlichen Tradition einer gleichsam sprechenden Darstellung scheinen die Suchbilder, mit denen Duell uns umgibt, oft sehr nahe zu kommen, ohne allerdings Botschaften vermitteln zu wollen, seien sie philosophischer, theologischer, oder politischer Natur; sie geben sich mit der puren, meist wertfreien Allegorie zufrieden, dem Mosaik divergierender Elemente, aus dessen Zusammensetzung dann ein gemeinsames Grundthema erkennbar wird, in möglichst großer Vielfalt und all seiner Widersprüchlichkeit. Die Folge ist, dass dem Gesamteindruck, für sich genommen, der geringste Reiz zukommt; er wirkt eher irritierend, hin und wieder überladen, bisweilen sogar chaotisch, auf jeden Fall nicht als Endzweck der Bildkomposition, die vielmehr einem etwas wahllos immer wieder aufgeschlagenem Buche gleicht, dessen Seiten manchmal gut leserlich, manchmal verwischt, stenographiert oder in unbekannten Sprachen bedruckt erscheinen, manchmal auch vollends weiß oder von fremdartigen, seltsamen Hieroglyphen bedeckt – da es der heutigen Zeit ja an einem strengen, allgemeingültigen Vokabular fehlt, und man sich mehr oder weniger auf gut Glück verständigen muss, mit Banalitäten, Klischees, Autobiograpfischem, privaten und kaum mehr verbindlichen Bildungsresten, kurz, Fragmentarisches jeder Sorte.

Es genügt, um mit dem Wust halbwegs zurande zu kommen, irgendwo an einem beliebigen Punkt aufzubrechen und dann das ganze Labyrinth Schritt für Schritt gemächlich zu durchwandern, Unverständliches zu überspringen, bei Vertrautem zu verweilen, Sackgassen auszuweichen, nicht im Kreise zu irren - und schließlich wird man sogar erkennen, dass die Dinge längst nicht so zufällig herumliegen, wie man dachte, sondern dass alles genau an seinem Platz ist und sehr wohl einem übergeordneten Zugriff gehorchte. Bloß: aus dem Bild sich ein Bild zu machen und dies, Stückchen für Stückchen, dem vorgegebenen Thema zuzuordnen, so dass ein benennbares Mosaik entsteht – das bleibt allein dem Betrachter überlassen, den Rebus muss er schon selber lösen, sinnlos, sich Hilfe suchend nach dem verantwortlichen Maler umzuschauen; der hat sich seit einem Weilchen schon aus dem Spiel empfohlen und aus dem Staub gemacht...

V. Wie wär’s mit „Wien“?

Worte, nichts als Worte. Lassen wir ihnen doch mal Taten folgen! Wählen wir so ein Bild aus, und wählen wir uns dann einen Weg durch das Bild; sozusagen als ein lobenswertes und ermutigendes Beispiel. Wie also wär’s mit „Wien“? Dort, bittesehr, das zu erforschende Terrain: Format 100x70, Federzeichnung, Tusche, Sepia. Wien, Wien, nur du allein...fassen wir uns ein Herz, schaun wir uns darin um: rechts unten Laute, Geige, und Notenblatt, wie sich’s für eine Musikstadt gehört, dahinter so etwas wie ein Pas de deux, Tänzer und Tänzerin, gleich daneben ein üppiger Frauenakt, Putten säugend, das Haupt verhüllt, was nicht verhindert, dass ihm ein Säbel entsteigt, ein Helmbusch und der bärtige Kopf des Kaisers Franz Joseph, welcher, falls es keine Sinnestäuschung ist, auf nackten Kugelbrüsten samt nuckelndem Baby sitzt, in der Ferne jedenfalls, das ist sicher, eine architektonische Landschaft, Wasserspiele und gewiss auch Schönbrunn, darüber aber das Hotel Orient, und abermals darüber ein Mozart, der aus dem Fenster blickt, als habe er just den „Figaro“ fertigkomponiert, etwas links davon im erleuchteten Gehäuse schwebend ein Schattenmann, Seilbahn oder vielleicht doch ein Wachturm, sei’s wie es sei, ein Kaleidoskop aus Obelisken lenkt uns ab und zieht uns zur Mitte, die ein Lippizaner-Hengst in Levade beherrscht gemeinsam mit der Skulptur eines flöteblasenden Fauns, so ließe sich die Statue zumindest deuten, wenn nicht alles täuscht, jedoch bildet das eigentliche Zentrum eine Art Gehirnmasse mit unzähligen Windungen, die über dem Eingang offenbar zu einem Kulturinstitut lastet, welchem die folgende Inschrift eingemeißelt ist: „Der Zeit ihre Kunst - Der Kunst ihre Freiheit“ (was für ein Optimismus doch, aus der Perspektive der freien Marktwirtschaft gesehen!), die linke Hälfte eröffnet nun, da wir die rechte verlassen, ein ziemlich plattgedrückter Stephansdom, wie ins Poesiealbum gepresst, während ein grässliches Monster mit dem gekrönten Schnabel des Reichsadlers auf ihn zu fliegt, überwölbt von finsteren Gewitterwolken, aus denen jeden Augenblick der Blitz herausfahren kann, der die k.und k.s Monarchie zerschmettern wird, weiter unten dann und bis hin zur Erdentiefe bizarr geformte Behälter, Sterbelager, Särge, Totenwannen, angefüllt mit einem Gewirr von Köpfen und Körperteilen, dennoch, sobald wir uns abwenden von dem Graus und zurückkehren zur Mitte, erscheinen uns im hellsten Lichte Tisch und Stühle eines menschenleeren Cafés, die allerdings nur die Schleppe bilden für unser liebstes Souvenir, seine majestätische Maria Theresia, welche ihrerseits überragt wird von einer leichtgeschürzten Dame, so gestiefelt wie vermutlich von losen Sitten, die sich das Haupt einer männlichen Leiche – dornenbekränzt? – mit einem aufsteigenden Genius teilt, der bedrohlich etwas schwingt, das einer Sanduhr gleichen könnte...Ist es der Tod? Ist das ganze eine Allegorie des Untergangs? Alle Assoziationen sind frei. Das muss nun jeder für sich selbst entscheiden.


VI. Gibt’s etwas Schwarz auf Weiß nachhaus zu tragen?

Ein letzter Rundblick über die Galeriewände. Eins scheint den meisten dieser Bilder gemeinsam, ob sie sich nun „Prag“ nennen, „Vergangenheit“, „Nostradamus – Prophezeiungen“, „Magie – Schwarze – Weiße“, „Inach – Allah“ (Vathek), „Viterbo“, „Venedig“ oder mit einer Verbeugung vor den Brüdern Caracci, „Ideale Landschaft“: sie beschwören schräge, schwankende, vom Einsturz bedrohte Welten, wenn nicht gar solche, die bereits in Leichenstarre einen beklemmenden Totenhauch verströmen. Viele von ihnen wirken auf mich – und das muss halt jeder mit sich abmachen – wie exzentrische Entwürfe zu opulenten Grabmälern. Quer durch die Friedhöfe der Jahrhunderte. Wobei die technischen Bestattungsindustrie der Gegenwart seltener in Erscheinung tritt als jene wuchernden Gedenkstätten entlegener Epochen, in denen Leben wahrscheinlich noch einen größeren Stellenwert hatte, zumindest so lange es einem gegönnt war; denn seit jeher haben ja Menschen den Menschen nach der Existenz getrachtet. Was aber allen diesen Phantasien, so makaber sie sein mögen, Überzeugungskraft verleiht, für mich wenigstens, ist das Fehlen jeglicher Sentimentalität; als wär’s – warum nicht? – von einem kühlen Kopf entworfen und mit virtuosem Zynismus ausgeführt ein in Zeichnungen fixiertes Hohngelächter. In der minutiösen Darstellungsweise aber, in ihrer Perfektion liegt die eigentliche Ironie und Provokation dieser Blätter. Deshalb würde ich ihnen schon den Ehrentitel des Manierismus verleihen, der ja die legitime Ausdrucksform aller Endzeiten ist. Im übrigen sieht jeder in dem, was andere tun, die eigene Misere – soviel zu meiner Entschuldigung, wenn es denn einer bedarf.
muenchen@duellmemorial.com